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10 Tipps, wie die Digitale Transformation in eurer Organisation garantiert fehlschlägt

Anstatt weiter technologisches Troubleshooting zu betreiben, wollt ihr euch mit dem Thema Digitalisierung in eurer Organisation ganzheitlich auseinandersetzen. Großartig! Lest hier, wie ihr beim Versuch, sich auf die digitalisierten Märkte vorzubereiten, garantiert scheitert!

Verfasst von Robert Hanke -
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Tipp 1: Orientiert euch zuerst an den anderen 

Bevor ihr euch dazu entschließt auf die MitarbeiterInnen in eurer Organisation zu hören und das Thema Digitalisierung auf die Agenda zu nehmen, wollt ihr zuerst wissen, wie intensiv sich die Konkurrenz mit dem Thema Digitale Transformation beschäftigt. Ihr wisst, dass eure Mitbewerber beim Versuch ein zentrales CRM-System über alle Ländergrenzen hinweg einzuführen, gescheitert sind – aus welchen Gründen auch immer - daher ist klar, dass ein solches Technologie-Projekt für euch sicher nicht in Frage kommt. Sammelt alle Branchen-Gerüchte sorgfältig und hört auf das, was euch Branchenvertreter in den Pausen von Konferenzen und Symposien so zuraunen – die müssen ein hohes Interesse daran haben, euch konkurrenzfähig zu machen. Beobachtet sorgfältig und erst wenn eure direkten Mitbewerber erfolgreich digitalisiert haben, macht auch ihr den nächsten Schritt. 

 

Tipp 2: Orientiert euch nicht an anderen Märkten 

Andere Branchen mögen von der Digitalisierung erfasst sein – die Telekom-Branche, die Finanzbranche, die Automobilindustrie. Der Non Profit Sektor nicht. Eure Zielgruppen sind in der Altersklasse 50+ und die engagieren sich nun mal nicht digital. Und selbst wenn in anderen Ländern und Märkten die Digitalisierung Einzug gehalten hat, die Budgets von analog zu digital geshiftet wurden und durch neue Channels neue Zielgruppen erschlossen wurden, so hinken wir in unserem Land allen einfach immer ein paar Jahre hinterher. Seht euch also nicht an, was sich in anderen Branchen tut und wie sich Unternehmen verändern, denn die eigene Branche folgt eigenen Gesetzen - die ihr sehr gut kennt.   

Immer schon habt ihr darauf gewartet, dass diejenigen, die eine neue Methode oder ein neues Tool einführen, zuerst scheitern. Wenn sich eine Technologie am Markt durchsetzt, ist immer noch genug Zeit sie seriös in die eigene Organisation zu holen. Und macht euch keinen Stress, dass Vorreiter Märkte besetzen und ihre Claims abstecken könnten – ihr habt aufgrund eures fachlichen Vorsprungs und einer vollen Kriegskasse immer noch genug Zeit aufzuholen.  

 

Tipp 3: Betrachtet die digitale Transformation als zeitgeistige Bewegung, die wie alle anderen Trends auch in ein paar Jahren vorüber sein wird.  

So wie ihr Jahrzehnte davon überzeugt wart, dass das Engagement eurer Organisation im Internet nur eine kleine Zielgruppe betreffen würde, dass Social Media nur ein Zeitvertreib für Jugendliche und Menschen ohne Arbeit bleiben wird und nie von einem ernstzunehmenden Unternehmen oder Regierungsmitglied eingesetzt werden würde, so klar ist auch diesmal, dass euer Kerngeschäft weiter in dem abfällig als Old Economy bezeichneten Umfeld Ertrag bringen wird. 

So wie der Computer die Schreibmaschine abgelöst hat, so werden jetzt auch immer mehr Aufgaben mit dem Handy erledigt. Kein Grund also, Digitalisierung als eigenes Thema zu betrachten oder gar eine Digitale Transformation auszurufen.  

 

Tipp 4: Lasst euch nicht von unwesentlichen Randthemen von eurer Arbeit abhalten 

Die Einkünfte aus digitalem Fundraising tragen nicht mal mit 7% zu eurem Ergebnis bei. Die Materie ist komplex, es liegen sehr viel Daten vor und sich da durchzuarbeiten kostet Zeit, die dann im klassischen Business fehlt. Es gibt da junge MitarbeiterInnen, die sich darum kümmern. Ihr könnt aus dem Verhalten der digitalen User keine Rückschlüsse auf eure Stammkundschaft ziehen und kurzfristige Trends interessieren euch nicht. Euch interessiert auch nicht, aufgrund welcher Suchfragen Menschen eure Website finden und welche Themen sie dort konsumieren. Und schon gar nicht interessiert euch, wie viele eurer SpenderInnen, die ihr über Social Media gewonnen haben, nach 5 Jahren noch immer spenden und wie viele davon aufgrund welcher Kommunikationsmaßnamen zu DauerspenderInnen wurden.  

 

Tipp 5: Lasst die Daten dort, wo sie hingehören: in die Hände von Spezialisten 

Der Umgang mit Daten ist euch seit der Schulzeit verhasst und es gibt genug Nerds, die sich damit auseinandersetzen. Ihr habt eure Organisation gut im Griff, Entscheidungen trefft ihr nach sorgfältiger Abwägung der Argumente eurer wichtigsten MitarbeiterInnen. Gute Ideen setzen sich immer durch und ihr vertraut keiner Statistik, die ihr nicht selbst gefälscht habt. Macht euch kein Bild darüber, wo überall in eurer Organisation Daten gesammelt, verarbeitet und ausgewertet werden und setzt um Himmels willen Daten aus unterschiedlichen Quellen nicht miteinander in Beziehung! Es reicht, wenn man euch sagt, dass den GDPR-Auflagen genüge getan wird. Ihr seid auch nicht haftbar zu machen, wenn mit den Daten etwas passiert, schließlich gibt es dafür Profis.    

 

Tipp 6: Betrachtet Digitale Transformation als Aneinanderreihung von Technologie-Einführungen 

Auf die Bitte der Fundraising-Leitung wurde neues Personal für das Online-Fundraising eingestellt, auch wenn klar war, dass das dafür nötige Budget nicht gleich wieder erwirtschaftet werden können. Es wurde viel in den neuen Webauftritt investiert und digitale Fundraising-Tools verursachen Lizenzkosten, die durch die Einnahmen kaum abgedeckt werden können. Die Social Media Abteilung ist hipp, produziert steigende Zahlen und räumt bereits Preise der Werbewirtschaft ab. Als die MitarbeiterInnen aufgrund der Covid-Situation ins HomeOffice wechseln mussten, war eure Organisation gut aufgestellt, weil sich die IT-Abteilung rechtzeitig um Cloud-Lösungen, Office-Software und Laptops gekümmert hatte. Die Kommunikation funktionierte eigentlich ganz gut über WhatsApp, E-Mail und Zoom. Und selbst für das Datenhandling habt ihr eine externe GDPR-Beratung und eine Person für die Daten-Analyse, die die Quartalsberichte mit attraktiven Tortendiagrammen verschönert. Es besteht also kein Bedarf, das Thema Digitalisierung als Ganzes zu betrachten und den kulturellen Wandel mit einer Organisationsentwicklung zu begleiten.

 

Tipp 7: Betrachtet die Digitale Transformation als Projekt, nicht als Initiative  

Ihr solltet eure Organisation stärker ins Internet bringen? Dazu wurde ein Projekt Website Relaunch genehmigt. Die Einführung von Social Media wäre euch fast auf den Kopf gefallen, als ständig Shitstorms ausgebrochen sind? Mit dem Projekt Social Media Guidelines habt ihr die Kommunikationsabteilung wieder in ruhigeres Fahrwasser gebracht. Und als eure Spendenprozesse unüberschaubar geworden waren, habt ihr mit dem Projekt CRM 2.0 alles wieder auf Schiene gebracht. Auch die Digitale Transformation wird als Projekt aufgesetzt, mit einer Analyse-Phase, einem klaren Start und vor allem einem End-Punkt, ab dem ure Organisation digitalisiert ist. Danach kann endlich wieder normal gearbeitet werden.  

Lasst euch am besten ganz klar von eurer Projektleitung skizieren, wann genau welcher Schritt zu passieren hat, damit nichts schief geht. Plant jedes Detail und reserviert nicht mehr Budget als nötig.  

 

Tipp 8: Überlasst das Projekt “Digitale Transformation” dem Personal aus der IT-Abteilung. Denn Digitale Transformation ist nicht Aufgabe der Geschäftsführung/des Vorstands!   

Eure Organisation befindet sich heute dort, wo sie ist, weil der Vorstand mit seinem Know-How schon immer schwierige Entscheidungen getroffen und mit Erfahrung so manches Thema ausgesessen hat. Wo andere sich die Finger verbrannt haben, ist eure Organisation besonnen geblieben, wo andere Dienst nach Vorschrift taten, habt ihr rechtzeitig Initiative gezeigt. Warum also jetzt in das fein austarierte Abteilungs- und Machtgefüge eingreifen, am MitarbeiterInnenstab vorbei ein Thema an sich reißen und als Vorstand mit der Fahne der Digitalisierung vorangehen? Übergebt das Projekt lieber an Brigitte aus der HR-Abteilung. Die kennt sich mit Digitalem gut aus, denn sie macht immer so schöne PowerPoint Präsentationen. 

 

Tipp 9: Schafft eine neue Abteilung zwischen Kommunikation, Marketing und (Digital-) Fundraising. 

Das Thema Digitalisierung ist heute der Bringer. Ihre Vorgänger haben den Zug vollkommen verschlafen und es gilt jetzt, alles aufzuholen, was über die Jahre versäumt wurde. Da kaum Know-how in den Abteilungen vorhanden ist, gründet ihr eine neue Abteilung, in die alles Digitale verpflanzt wird. Dann sucht ihr am besten eine(n) junge(n), ehrgeizige(n) AbsolventIn der Fachhochschule, gebt ihr/ihm eine Chance und guckt, wie weit er/sie kommt. Die Kosten für eine solche Stelle sind überschaubar, sollte er/sie scheitern, kann man ihn/sie wieder freisetzen, sollte er/sie erfolgreich sein, kann man ihn/sie danach am besten in die IT-Abteilung eingliedern und andere Aufgaben geben. Die Webauftritte, innovative IT-Projekte, alle Customer-Relationship-Management-Maßnahmen und natürlich alle Datenthemen. Zahlt diese Gruppe an SpezialistInnen gut, damit sie nicht gleich wieder davonlaufen, denn sie haben einen hohen Marktwert. Und erwähnt bei den Meetings mit der Belegschaft, wie ihr es schafft, durch innovative Führung tiefgreifende Veränderungen einzuleiten. Die Kollegschaft wird es lieben und die Motivation der etablierten Führungskräfte wird durch die Decke gehen. Es steht nicht zu befürchten, dass ein Kompetenzstreit oder Fragen der Verantwortlichkeit auftreten, denn die Rollen und Aufgaben sind klar kommuniziert.     

 

Tipp 10: Bedient euch keiner externen Beratung 

Was sollen euch Consultants erzählen, das ihr nicht selbst googeln könnt? Wenn es um fachliches Know-how ginge, das ihr in der Organisation nicht habt, wäre es sinnvoll, das einzukaufen. Aber wer kennt eure Organisation besser als ihr? Macht also ruhig all die Fehler, die andere Organisationen schon vor euch gemacht haben und fangt am besten auch ganz von vorne an. Diskutiert möglichst intensiv, wie lange es dauern wird, bis eure klassische Zielgruppe digital affin wird. 

Und falls es doch jemanden gibt, der schon Organisationen wie eure bei der Digital Transformation Journey begleitet hat, dann hört nicht auf sie/ihn. Beschäftigt sie/ihn eine Weile und wenn es ans Eingemachte geht, lasst den Vertrag auslaufen. Lasst euch nur nicht sagen, wie ihr eure Organisation zu führen habt. 

 

Viel Erfolg!